Deutschland braucht Fahrplan für Fusionsenergie

München, 18. September 2023

Pressemitteilung

  • Fusionsenergie ist einer der Schlüssel für eine nachhaltige und sichere Energiearchitektur
  • Neue Technologien und massive Investitionen könnten der Fusionsenergie in den kommenden zehn Jahren zum Durchbruch verhelfen
  • Europa und Deutschland fallen bei Investitionsvolumen, Forschungsetats und Startup-Finanzierungen hinter die USA, Japan und China zurück
  • Um nicht den Anschluss zu verlieren, benötigt Deutschland jetzt einen Fahrplan für Fusionsenergie – und eine positive Grundhaltung

Fusionsenergie ist eine der vielversprechendsten Schlüsseltechnologien für die Erreichung der globalen Klimaziele und könnte schon in wenigen Jahren Realität werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie „Fusion Energy: The key to the future energy architecture“ von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. Der geplante Ausbau der Erneuerbaren Energien gleicht demnach zwar den global steigenden Energieverbrauch aus, reicht jedoch nicht, um fossile Energien in den kommenden Jahren vollständig zu ersetzen. Im Jahr 2050 könnten weltweit weiterhin über 13 PWh* Strom aus fossilen Energieträgern produziert werden – deutlich zu viel, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen. Die Energielücke könnte die Kernfusion füllen. Ihr Betrieb erzeugt keine klimaschädlichen Emissionen. Die Technologie ist grundlastfähig, skalierbar und kommt mit wenigen global verfügbaren Ressourcen aus. Zudem ist sie anschlussfähig an die bereits existierende Energieinfrastruktur. Viele Länder haben diese Vorteile inzwischen laut Studie erkannt und treiben entsprechende Forschungsprojekte voran. Deutschland droht im globalen Wettbewerb ins Hintertreffen zu geraten – und benötigt einen Fahrplan für die Fusionsenergie.

*PWh = Petawattstunde, entspricht 1.000 Terawattstunden

Fusionsenergie in greifbarer Nähe
Noch bis vor kurzem lag die wirtschaftlich sinnvolle Nutzung von Fusionsenergie in weiter Ferne. Erst technologische Durchbrüche, gesellschaftliche Umwälzungen und massive private Investitionen haben ihr in den vergangenen Jahren Schub verliehen. Neue HTS-Hochleistungsmagnete etwa erleichtern den Bau kompakter und leistungsstarker Designs, Künstliche Intelligenz und Supercomputer beschleunigen die Entwicklung neuer Materialien und Prozesse. Das gestiegene Interesse an der Technologie zeigt sich unter anderem an der Zahl privater Unternehmungen, die als erste ein Fusionskraftwerk zum Laufen bringen wollen. In den letzten zehn Jahren wurden mehr als doppelt so viele private Fusionsprojekte mit diesem Ziel gegründet wie in den vergangenen 20 Jahren zuvor. Während die akademische Fusionsforschung in Deutschland mit zur Weltspitze gehört und in Südfrankreich gerade das weltweit größte staatliche Fusionsexperiment kurz vor seiner Fertigstellung steht, findet laut Studie das kommerzielle Wettrennen um die Technologie größtenteils außerhalb Europas statt. Mehr als die Hälfte der neun finanzstärksten Fusionsstartups stammt aus den USA und Kanada, zwei aus Großbritannien, nur eines zumindest anteilig aus Deutschland.

„Der Fusionsenergie könnte in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren der entscheidende Durchbruch gelingen, aber Deutschland schaut nur staunend oder skeptisch zu. Wenn wir nicht erneut den Anschluss an eine Schlüsseltechnologie verlieren wollen, müssen wir einen Zahn zulegen und uns der Kernfusion mit viel mehr Neugier, Aufgeschlossenheit und Pioniergeist zuwenden“, sagt Christian von Tschirschky, Partner bei Strategy& Deutschland und Head of European Energy, Utilities & Resources Practice. „Deutschland braucht dafür eine europäisch eingebettete, aber national zugeschnittene Fusionsstrategie, die alle Schritte – von den Lieferketten für die benötigten Rohstoffe, über Forschungsförderung bis hin zu Verwaltungsvorschriften – orchestriert. Nur wenn die Politik in nächster Zeit die richtigen Rahmenbedingungen schafft, für Investitionssicherheit sorgt und die Technologie vorurteilsfrei in den öffentlichen Diskurs einbringt, können wir vom potenziellen Wachstum, das die Fusionsenergie auslösen kann, profitieren. Sobald die Technologie reif ist, müssen auch unsere Unternehmen und die Politik bereit sein.“

Deutschland bei akademischer Forschung spitze
Trotz beträchtlicher Fortschritte muss die Technologie noch Hürden nehmen. So ruckelt es etwa bei leistungsstarken Steuerungssystemen, energieeffizienten Kraftwerkdesigns oder der Herstellung des Fusionsbrennstoffs. Zudem arbeitet die Technologie bislang noch nicht wirtschaftlich. Experten gehen jedoch davon aus, dass diese Probleme in absehbarer Zeit lösbar sind. In der dafür notwendigen staatlichen Forschung nimmt Deutschland eine Spitzenposition ein. So liegt das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik mit 42 aktuellen Forschungspublikationen gleichauf mit dem Princeton Plasma Physics Laboratory in den USA. Dabei kommen die deutschen Forscher:innen allerdings mit deutlich geringeren Fördersummen aus. Während ihnen pro Jahr lediglich 225 Millionen Euro (2,7 Millionen Euro pro 1 Million Einwohner) – davon ein Drittel erst seit September 2023 – zur Verfügung stehen, können die US-Wissenschaftler:innen auf umgerechnet 1,27 Milliarden Euro zurückgreifen, was 3,8 Millionen Euro pro 1 Million Einwohner entspricht.

„Deutschland besitzt alle Voraussetzungen, um eine Führungsrolle in der Fusionsforschung einzunehmen. Das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Garching und Greifswald sowie die Helmholtz-Zentren in Karlsruhe und Jülich gehören zu den weltweit renommiertesten Forschungsinstituten in der Fusionsforschung – und wir erforschen als eines der wenigen Länder sowohl das Tokamak- als auch das Stellarator-Konzept. Außerdem hat unsere Industrie jahrzehntelange Erfahrung mit Reaktortechnik“, ergänzt Christian von Tschirschky. „Bislang spielen wir diese Vorteile aber nicht aus und lassen sie oft ungenutzt liegen. Das ist nicht nur fahrlässig mit Blick auf den Klimawandel, sondern gefährdet auch den zukünftigen Wohlstand des Landes. Die Fusionsenergie könnte etwa darüber entscheiden, ob energieintensive Industrien wie die Chemie- oder Automobilbranche dank günstiger Energie im Land bleiben, oder in andere Regionen abwandern. Wir sollten die Fusionsenergie nicht als Konkurrenz zu den Erneuerbaren betrachten, sondern als notwendige Ergänzung. Nur im Zusammenspiel lassen sich sowohl die Klimaziele erreichen als auch die Stärke des Wirtschaftsstandortes wahren.“

Über Strategy&
Strategy& ist die globale Strategieberatung von PwC. Wir entwickeln individuelle Geschäftsstrategien für weltweit führende Unternehmen, basierend auf differenzierenden Wettbewerbsfähigkeiten. Wir sind die einzige Strategieberatung als Teil eines globalen Professional Services Netzwerks. Unsere Expertise kombinieren wir mit Technologie und erarbeiten daraus eine passende Strategie, die effizient umsetzbar ist. „Strategy, made real“ heißt für uns, den digitalen Wandel voranzutreiben, die Zukunft mitzugestalten und Visionen Wirklichkeit werden zu lassen. 4.500 Strategieberater:innen und mehr als 370.000 PwC-Mitarbeiter:innen in 149 Ländern tragen hierzu mit hochwertigen, branchenspezifischen Dienstleistungen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuer- und Unternehmensberatung bei.

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Annabelle Kliesing

Annabelle Kliesing

Senior Manager Communications and Thought Leadership, Strategy& Deutschland

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