Nachhaltige Mikroelektronikstrategie braucht Investitionen von mindestens 115 Mrd. Euro

München, 20. September 2023

Pressemitteilung

  • Für den Aufbau einer eigenständigen europäischen Industrie für Mikroelektronik müsste Deutschland in den nächsten 10 Jahren 115 Mrd. Euro investieren
  • Das deutsche BIP könnte durch die Förderung bis 2035 um bis zu 600 Mrd. Euro wachsen
  • Zugleich droht Europa in der Halbleiterindustrie bis 2030 eine Fachkräftelücke von bis zu 350.000 unbesetzten Stellen
  • Die Investitionen sollten vor allem in die Verbesserung der Rahmenbedingungen sowie die Schaffung eines wettbewerbsfähigen Halbleiter-Ökosystems fließen

Deutschland muss in den nächsten 10 Jahren etwa 115 Mrd. Euro in seine Mikroelektronikindustrie investieren, um digital unabhängiger zu werden. Das geht aus der Studie „Forging Germany’s digital destiny: The imperative of a sustainable microelectronics strategy” von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, hervor. Während auf den Privatsektor etwa zwei Drittel der Gesamtsumme entfallen, müsste die öffentliche Hand knapp 37 Mrd. Euro stemmen. Die getätigten Investitionen könnten sich allerdings gleich mehrfach auszahlen und sowohl nationale als auch globale Synergieeffekte auslösen. So könnte bis 2035 allein das deutsche BIP aufgrund der Investitionen um 600 Mrd. Euro zulegen. Global liegt das Wachstumspotential bei bis zu 3 Bio. Euro – in etwa so viel wie das derzeitige BIP von Indien oder Großbritannien. Zugleich bilden die Investitionen die Basis, um dem europäischen Ziel näher zu kommen, den EU-Anteil an der weltweiten Mikroelektronikproduktion von bislang 9% auf 20% im Jahr 2030 zu steigern.

Deutschland digital nur bedingt souverän
Aktuell hinken Europa und Deutschland in der globalen Chipindustrie hinterher. Den Markt für Halbleiter dominieren vor allem die USA und Asien. Taiwan, Südkorea, Japan und China produzieren zum Beispiel 75% aller Silizium-Wafer, die das Ausgangsmaterial für jede Chipproduktion sind. Bei Speicherchips (Memory), ohne die fast kein elektronisches Gerät funktioniert, liegt ihr Weltmarktanteil sogar bei 93%. Das Design der Halbleiter liegt mit 80% Marktanteil fest in den Händen von US-Firmen. Die deutsche Halbleiter- und Mikroelektronikindustrie punktet zwar in der Leistungs- und Optoelektronik, im Bereich Sensorik sowie bei Sicherheits-Mikrocontrollern. Dies sind Bereiche, in denen die Chips mit Prozesstechnologien auf Basis mittelgroßer Knoten hergestellt werden. Bei vielen technischen Innovationen sind dagegen kleinste Knoten in Bereichen unterhalb von 5 nm entscheidend, deren Entwicklung und Herstellung vor allem Taiwan mit TSMC, Südkorea mit Samsung und die USA mit Intel beherrschen.

„Wie in vielen Bereichen ist Deutschland auch in der Mikroelektronik und bei Halbleitern zwar in der Grundlagenforschung spitze, schafft es aber nur selektiv, daraus eine global wettbewerbsfähige Industrie aufzubauen. Das Ergebnis ist eine globale Abhängigkeit, die auf Dauer den Wohlstand der gesamten Volkswirtschaft gefährdet. Es ist deswegen höchste Zeit, dass Deutschland eine nachhaltige Strategie entwickelt und umsetzt, um in der Konsequenz die eigene digitale Souveränität herzustellen“, sagt Tanjeff Schadt, Studienautor und Partner bei Strategy& Deutschland. „Kernelement dieser Strategie sollte aus unserer Sicht sein, dass sich Deutschland und Europa eine wichtige Rolle in der globalen Wertschöpfungskette sichern, etwa beim Chipdesign. Anschließend muss dieser Bereich strategisch gefördert und entwickelt werden, wobei die Schaffung eines Chipdesign-Ökosystems mit dediziertem Chipdesign-Campus im Fokus stehen und sich mit den geplanten Großansiedlungen voll integrieren sollte. Außerdem gilt es, die bereits vorhandene europäische Mikroelektroniklandschaft zu stärken, ein nachhaltiges Umfeld für die Industrie sowie für die benötigten Fachkräfte zu schaffen, sowie Produktionskapazitäten für kritische Produkte aufzubauen.“

Subventionswettbewerb um Chip-Vorherrschaft
Viel Zeit zum Aufholen bleiben Deutschland und Europa dabei nicht. Im industriepolitischen Ringen um die digitale Vorherrschaft haben längst auch andere Länder finanzstarke Förderprogramme aufgelegt. Die USA etwa stärken die heimische Produktion und Forschung bis 2026 mit 52 Mrd. Dollar, und China stellt bis 2028 143 Mrd. Dollar bereit, um digitale Souveränität zu erreichen. Die EU hat den European Chips Act mit 19 Mrd. Dollar bis 2030 ausgestattet. Gleichzeitig droht Europa jedoch im Falle einer wachsenden Chipindustrie ein enormer Fachkräftemangel. Bis 2030 könnten in der gesamten europäischen Mikroelektronikindustrie bis zu 350.000 Stellen unbesetzt bleiben.

„Unser gesamter Alltag hängt heute von Halbleitern ab. Investitionen in diesen Bereich dienen somit längst nicht mehr nur ökonomischen Zielen, sondern stützen die geopolitische Position eines Landes im Bereich der digitalen Sicherheit. Wenn Europa und Deutschland hier nicht ins Hintertreffen geraten wollen, müssen sie ihre Kräfte jetzt bündeln, strategisch investieren, sich relevante Marktanteile für ein strategisches Gegengewicht sichern und dabei weiterhin globale Partnerschaften pflegen“, sagt Tanjeff Schadt. „Die Regierungen sollten hierfür die Rahmenbedingungen bereitstellen, während die Unternehmen bei der Umsetzung ebenfalls in die Verantwortung gehen müssen. Gleichzeitig darf es nicht nur um schiere Größe gehen: Die Industrie sollte sich zunächst auf wichtige, zukunftsfähige Bereiche konzentrieren, anstatt die bloße Kapazitätssteigerung in der Chipproduktion als alleiniges Ziel zu verfolgen. Der Schlüssel zum Erfolg ist bei alldem echte und ernst gemeinte Kooperation: Nur wenn Unternehmen auf Augenhöhe zusammenarbeiten und gemeinsame Ziele verfolgen, können sie im internationalen Wettbewerb aufholen und bestehen.“

Über Strategy&
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Jan-Philipp Loch

Jan-Philipp Loch

Senior Communications and Thought Leadership Expert, Strategy& Deutschland

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