Deutschlands Süden droht Wasserstofflücke

München, 24. April 2023

Pressemitteilung

  • Bis 2030 könnte die Wasserstoffproduktion in Deutschland auf 30 GW steigen, das wäre drei Mal mehr als derzeit geplant
  • Im Süden des Landes zeichnet sich ein Wasserstoffengpass ab, während der Norden gut aufgestellt ist
  • Sechs Industrien werden bis 2030 knapp 80% der Nachfrage nach Wasserstoff generieren, vor allem Stahlwerke, Halbleiterproduzenten und Mineralölraffinerien
  • Die Wasserstoff-Versorgung wird für bestimmte Branchen und Regionen ein immer wichtigerer Standortfaktor

Die Vorbereitungen der deutschen Industrie für eine Wasserstoffwirtschaft sowie der Ausbau der dafür notwendigen Infrastruktur gewinnen deutlich an Fahrt. Dem Süden der Republik droht jedoch eine Versorgungslücke. Das geht aus dem Wasserstoff-Readiness-Index von Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC, hervor. Aktuell sind in Deutschland demnach 120 Wasserstoffprojekte in Planung, im Bau oder bereits in Betrieb und stellen etwa fünf Gigawatt (GW) Elektrolyse-Leistung bereit. Bis 2030 könnte diese Kapazität auf 30 GW wachsen. Während weite Teile des Landes mit einem 5.100 km langen Leitungsnetz versorgt werden sollen, zeichnet sich im Süden eine doppelte Versorgungslücke ab. Nach aktuellem Stand ist beispielsweise für die Achse Freiburg-München bis 2030 weder eine ausreichende Anbindung an das europäische Wasserstoffnetz sichergestellt, noch wird die Region über ausreichend PV- oder Windkraftanlagen verfügen, um grünen Wasserstoff vor Ort herzustellen. Ebenso fehlt eine ausreichende Anbindung an Stromtrassen, um sich mit grünem Strom aus dem Norden zu versorgen. Dabei wird gerade im Süden die zweithöchste Nachfrage nach Wasserstoff erwartet.

Sieben Industriezentren benötigen 90% des Wasserstoffs
Bundesweit werden sich laut Studie sieben regionale Wasserstoffzentren entwickeln und zusammen über 90% des H2-Verbrauchs ausmachen. Größter Abnehmer wird voraussichtlich dabei das Rhein-Ruhr-Gebiet mit seiner Stahl- und Chemieindustrie. Außerdem gehören das Saarland, die Oberpfalz, das Dreieck Frankfurt-Stuttgart-Würzburg, die Achse Bremen-Hamburg sowie die Region Berlin-Leipzig-Magdeburg nach aktuellen Einschätzungen zu den großen Wasserstoff-Hubs. Neben der Netzversorgung gewinnen die lokale Wasserstoffherstellung mit Elektrolyseanlagen sowie die Elektrifizierung von Produktionsstätten und Prozessen an Bedeutung. Alle drei Ansätze basieren dabei auf einer ausreichenden Versorgung mit grünem Strom – der jedoch rasch zur Mangelware werden könnte. So reicht der geplante Ausbau der erneuerbaren Energien laut der Strategy&-Studie nur für 20% der anvisierten Wasserstoffexpansion aus. Neben der drohenden Wasserstofflücke im Süden, bahnen sich somit weitere Engpässe in Regionen an, die weder Zugang zum H2-Netz noch zu grünen Energien haben.

„Grüner Strom und grüner Wasserstoff werden in den kommenden Jahren knapp bleiben und signifikante Wasserstoffimporte erreichen Deutschland erst ab 2035. Zugleich beobachten wir neue Spitzen beim CO2-Preis sowie klarere und strengere Vorgaben der Regulatoren. Um sich in diesem Umfeld für die Zukunft zu rüsten, sollten sich Unternehmen spätestens jetzt mit grünem Wasserstoff beschäftigen und prüfen, ob und wie sich der Einsatz für sie lohnt“, sagt Dirk Niemeier, Director und Wasserstoffexperte bei Strategy& Deutschland sowie Co-Autor der Studie. „Jedes Unternehmen sollte sich etwa fragen, ob die eigene Net-Zero-Strategie Wasserstoff ausreichend berücksichtigt, wie resilient und zukunftsfähig die eigene Infrastruktur in Bezug auf die Versorgung mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff ist oder ob es genügend finanzielle Ressourcen für eigene Wasserstoffinitiativen gibt.“

Wasserstoffinfrastruktur wird zum Standortfaktor
In einigen Industrien laufen die Vorbereitung für die Wasserstoffwirtschaft bereits auf Hochtouren. Stahlwerke etwa experimentieren längst mit Pilotanlagen, um auf Basis grünen Wasserstoffs fossilfreien Stahl zu produzieren. Halbleiterfabriken planen eigene Elektrolysekapazitäten und Mineralölraffinerien wollen grünen Wasserstoff nutzen, um ihre Scope-1-Emissionen zu reduzieren. Bereiche wie die Chemie- oder Zementindustrie setzen dagegen bislang vor allem auf die Elektrifizierung ihrer Prozesse oder nutzen Technologien wie das Auffangen und Nutzen von CO2, um ihre Klimaziele zu erreichen. In Sektoren wie der Nahrungsmittelindustrie oder im Maschinenbau spielt das Thema nur in Nischen eine Rolle. Insgesamt wird sich der Einsatz grünen Wasserstoffs laut Studie auf sechs Kernindustrien konzentrieren und sich als erstes dort durchsetzen, wo Wasserstoff als Molekül oder als Hochtemperatur-Brennstoff verwendet wird. Bis 2030 werden somit 80% der Wasserstoffnachfrage auf die Stahlindustrie, die Halbleiterbranche, der Mineralölsektor sowie die Chemie-, Keramik und Glasindustrie entfallen.

„Die Versorgung mit erneuerbaren Energien und Wasserstoff wird in Zukunft für viele Branchen ein maßgeblicher Standortfaktor werden, der mit darüber entscheidet, ob Unternehmen in Regionen und ihre dortigen Werke investieren oder abwandern“, sagt Christian von Tschirschky, Partner und Energy Practice Lead Europe bei Strategy& Deutschland sowie Co-Autor der Studie. „Die Politik muss jetzt dafür sorgen, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss verpasst. Zugleich werden innerhalb des Landes die Karten neu gemischt, und Regionen, die jetzt vorausschauend agieren, in die entsprechende Infrastruktur investieren und kluge Anreize setzen, können sich im föderalen Wettbewerb deutliche Vorteile erspielen.“

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Annabelle Kliesing

Annabelle Kliesing

Senior Manager Communications and Thought Leadership, Strategy& Deutschland

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