Relevanz von Künstlicher Intelligenz für Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Wie geschlechts­spezifische KI-Algorithmen die Sterblichkeit von Frauen an Herzkrankheiten senken könnten

Studie

Das Potenzial von Künstlicher Intelligenz für die Herzgesundheit in Deutschland

Künstliche Intelligenz (KI) kann entlang der gesamten Patient:innen-Journey von der Früherkennung bis zur Nachsorge eingesetzt werden, um Krankheiten zu vermeiden oder effektiver zu behandeln und die Effizienz im Gesundheitswesen zu steigern. Neue Lösungen erreichen einen objektiven Detailgrad von Gesundheitsinformationen, der etablierte Risikoabschätzungen übersteigt und so neue Möglichkeiten in der Prävention und Diagnostik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen ermöglicht.

Studien zeigen, dass sich Herz-Kreislauf-Erkrankungen schon seit einiger Zeit in Deutschland zur Volkskrankheit entwickeln. Im Jahr 2021 konnten ein Drittel aller Todesfälle auf diese Art der Erkrankung zurückgeführt werden. Zusammen mit weiteren Risikofaktoren wie steigendes Übergewicht und der demographischen Entwicklung ist daher davon auszugehen, dass über 40% der erwachsenen Bevölkerung im Laufe des Lebens von einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder damit in Verbindung stehenden Krankheiten betroffen sein wird. Besonders Frauen haben eine deutlich höhere Wahrscheinlichkeit als Männer, dass Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei ihnen tödlich verlaufen.

Im Bereich Herz-Kreislauf-Erkrankungen spielt KI daher eine wichtige Rolle, um die Behandlung für Patient:innen zu verbessern und das Gesundheitssystem zu entlasten. Mithilfe eines Algorithmus könnten die Wahrscheinlichkeiten von ischämischen Ereignissen wie Herztod, Herzinfarkt oder benötigte Behandlungen der Herzgefäße präzise vorhergesagt und die Veränderungen dieser Wahrscheinlichkeiten im zeitlichen Verlauf dargestellt werden. Bei Anwendung einer KI zur Früherkennung von Herzerkrankungen müssen neben dem Geschlecht auch die unterschiedlichen Faktoren in Lebensstil und Gesundheitszustand berücksichtigt werden, um Bias zu reduzieren und die Effektivität zu maximieren.

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Vor dem Hintergrund vermehrten Einsatzes digitaler Hilfsmittel wie KI-Algorithmen im Gesundheitswesen wird der Gender Health Gap zunehmend relevanter. Dieses Phänomen beschreibt die unzureichende Berücksichtigung des Geschlechts mit den damit verbundenen Gesundheits- und Krankheitsunterschieden in der Medizin. Der Einsatz von KI ohne Beachtung der entsprechenden geschlechtsspezifischen Unterschiede kann daher zur Reproduktion diskriminierender Handlungen mit suboptimalen oder sogar fehlerhaften Ergebnissen führen.

Auswirkungen des Gender Health Gap auf KI-Algorithmen in der Herzgesundheit

Ein Vergleich der Morbidität und Mortalität zeigt, dass Herzkrankheiten in der Gesamtverteilung öfter bei Männern als bei Frauen auftreten. Jedoch haben Frauen eine deutlich höhere Sterblichkeits-Wahrscheinlichkeit bei Eintritt einer Herzkrankheit. Dieser Unterschied kann durch andere Risikofaktoren, aber auch eine verzögert durchgeführte Diagnostik und ineffektive Behandlung im Akutfall erklärt werden. Beim Einsatz von KI sind daher geschlechtsspezifische Unterschiede entlang der gesamten Patient:innen-Journey zu berücksichtigen:

  • 1
    Früherkennung und Prävention: Im Durchschnitt pflegen Frauen und Männer unterschiedliche Lebensstile, welche die Entstehung von Herzkrankheiten beeinflussen können. Entsprechend haben Frauen bei einem auftretenden Herzinfarkt häufiger Risikofaktoren als Männer. Bei Anwendung einer KI zur Früherkennung von Herzerkrankungen müssen daher nicht nur das Geschlecht, sondern auch die unterschiedlichen Faktoren wie Lebensstil und Gesundheitszustand berücksichtigt werden.
  • 2
    Diagnose: Zudem unterscheiden sich die Symptomatiken bei Herzkrankheiten zwischen Männern und Frauen. Dass anders gelagerte Symptome bei Frauen gleichwohl auf einen Herzinfarkt hindeuten können, ist im Gesundheitssektor und der allgemeinen Bevölkerung teils wenig bekannt oder wird sogar als Widerspruch gedeutet. Bei der Erstellung und Nutzung von KI-Algorithmen ist es daher besonders wichtig, die unterschiedlichen Symptome von Männern und Frauen für akute Koronarsyndrome zu berücksichtigen, um präzise und valide Diagnostikoptionen zu bieten.
  • 3
    Therapie: Frauen erhalten unter anderem seltener interventionelle oder operative Behandlungen als Männer. Gründe dafür sind unter anderem die nicht abgeschlossene Bewertung der Effektivität von interventionellen Behandlungen bei Frauen in der Wissenschaft sowie ein möglicher Geschlechter-Bias, der dazu führen kann, dass Prozeduren bei Männern früher im Krankheitsverlauf durchgeführt werden. KI-Software zur Empfehlung von Therapiemöglichkeiten muss daher Ungleichheiten in historischen Datensätzen bei der Häufigkeit und Effektivität von Behandlungen berücksichtigen.
  • 4
    Nachbehandlung: : Studien zeigen, dass Frauen nach herzchirurgischen Eingriffen ihre Krankheit seltener verleugnen und ein stärkeres Bewusstsein für die Risiken und Auswirkungen ihrer Krankheiten haben als Männer. Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen nach dem Eintreten von Herzkrankheiten wirken sich auf die Therapietreue und die Wirksamkeit von Rehabilitationsmaßnahmen aus. KI-Algorithmen, die auf ausgewogenen Datensätzen zur Effizienz von Behandlungen aufbauen, können insofern sogar dazu beitragen, humanbedingte Fehlentscheidungen zu vermeiden.

Gestaltung geschlechtsspezifischer KI-Algorithmen im Gesundheitswesen

Um den Anspruch einer geschlechtergerechten Präzisionsmedizin zu erfüllen, muss der gesamte Lebenszyklus eines KI-Algorithmus auf eine verzerrungsfreie Gestaltung ausgelegt sein. Ziel sollte sein, dass der KI-Algorithmus eine verzerrungsfreie Datenbasis mit relevanten Datenpunkten verwendet, die Daten mit ähnlicher Genauigkeit oder Effektivität für Männer und Frauen verarbeitet und von Anwender:innen korrekt bedient wird und sich im Laufe des Betriebs kontinuierlich verbessert.

PD Dr. Clemens Jilek (Facharzt für Kardiologie,Osypka Herzzentrum München), Dr. Philippa-Luisa Harhoff, Dr. Sebastian Becker, Dr. Michael Tschiedel und Cedric Rohm waren ebenfalls an der Erstellung dieser Studie beteiligt.

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Prof. Dr. Rainer Bernnat

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Partner, Strategy& Deutschland

Dr. Caroline Mükusch

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Hendrik Reese

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