NATO im Wandel

Enablement als Schlüssel zu einer glaubwürdigen Abschreckung

Studie

Paradigmenwechsel in der europäischen Verteidigung

Infolge des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hat die NATO ihre Präsenz in Osteuropa verstärkt und sich innerhalb kürzester Zeit auf die neue Bedrohungslage eingestellt. So wurden etwa die vorgehaltenen Kapazitäten sowie die Anforderungen an die Einsatzbereitschaft erhöht und regionale Verantwortlichkeiten für einzelne Gebiete der Ostflanke ausgearbeitet.

Um den erweiterten Auftrag zu bewältigen, müssen die Voraussetzungen für eine zeitgerechte Verlegung von Truppen („Reinforcement“), sowie für den Erhalt der Kampfkraft („Sustainment“) geschaffen werden. Dies stellt den Kern des „Enablements“ dar, d.h. der Befähigung der militärischen Kräfte, ihre Kampfkraft bereitzustellen und zu erhalten. Da ohne eine effiziente Logistik und dauerhafte Unterstützung, eine glaubwürdige Abschreckung unmöglich ist, wird Enablement zukünftig eine deutlich höhere Priorität für die NATO haben. Entsprechend werden in naher Zukunft konkrete Vorgaben seitens der NATO zu Enablement-Zielen, u.a. für Logistik, IT- und Sanitätskapazitäten, erwartet.

Zentraler Stellhebel ist dabei die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der NATO-Mitgliedstaaten unter Einbeziehung nicht-militärischer Stakeholder zur Führung und Steuerung der notwendigen zivilen Beteiligung. Mit der Konzeption des „Reinforcement and Sustainment Networks“ (RSN), das Informationen bündelt und das NATO-Enablement organisiert, hat das Verteidigungsbündnis bereits wesentliche Voraussetzungen für ein erfolgreiches Enablement geschaffen und damit die Effektivität der Abschreckung erhöht.

Für eine glaubhafte Abschreckung seitens der NATO, müssen nun jedoch weitere Paradigmenwechsel folgen, die insbesondere auch neue Anforderungen an die zivile Beitragsfähigkeit stellen. Als eine zentrale logistische Drehscheibe trägt Deutschland eine besondere Verantwortung für die Glaubwürdigkeit der NATO-Abschreckung.

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Diese Studie analysiert den Stand und die aktuellen Herausforderungen dieser Aufgabe und fasst notwendige Maßnahmen thesenhaft zusammen. Die Ergebnisse basieren auf 12 Interviews mit Kernverantwortlichen von Bundesverteidigungsministerium (BMVg) und Bundeswehr, NATO, internationalen Partnern wie den Niederlanden, den USA und Großbritannien sowie mit akademischen und militärischen Expert:innen.

Die hier formulierten Handlungsempfehlungen für private und öffentliche Stakeholder wurden dabei aus den Kernaussagen der Interviews extrahiert und fassen deren Einschätzungen mit der strategischen Expertise unserer Strategieberater:innen für den öffentlichen Sektor zusammen.

Notwendige Maßnahmen für einen Paradigmenwechsel

Um eine glaubwürdige Abschreckung im Verteidigungsfall zu gewährleisten, ist eine engere Zusammenarbeit von Politik, Militär und zivilen Stakeholdern erforderlich.

  • 1
    Verbesserung der Einsatzbereitschaft
    Von den heute auf internationales Krisenmanagement fokussierten Fähigkeiten, zukünftig wieder auf Landes- bzw. Bündnisverteidigung und die dafür nötige Sicherstellung von Enablement und Logistik umstellen.
  • 2
    Erhöhung der Transparenz über die Verteidigungsfähigkeit
    Von einem heute kräftefokussierten Lagebild hin zu einem zukünftigen ganzheitlichen Lagebild gelangen, inkl. Perspektive auf Logistik, eine „Enabling“-Infrastruktur und zivile Stakeholder.
  • 3
    Sicherstellung der Verlegefähigkeit
    Von heute mehrjährig geplanten umfangreichen Übungen hin zu künftig kurzfristigen „Snap Exercises“ refokussieren.
  • 4
    Übernahme kollektiver Verantwortung
    Von einer heute national geprägten Logistiklandschaft hin zu multinational gesteuerten „Common Logistics“ inklusive gemeinsamer Funding-Möglichkeiten entwickeln.
  • 5
    Stärkung der zivil-militärischen Zusammenarbeit
    Von einer heute militärisch fokussierten Planung und Durchführung hin zu einem zukünftig integrierten Ansatz gelangen, der zivile Stakeholder und Fähigkeiten berücksichtigt.

Effektive Verteidigungsfähigkeit Europas

Diese Paradigmenwechsel haben Auswirkungen auf die NATO als Ganzes sowie auf die einzelnen Mitgliedsstaaten, mit besonderen Herausforderungen für Deutschland. Dabei bedarf es künftig einer noch engeren Zusammenarbeit von Politik, Militär und zivilen Stakeholdern, um eine glaubwürdige Abschreckung im Verteidigungsfall zu gewährleisten. So schnell, wie sich die NATO an die geänderte Bedrohungslage angepasst hat, so rasch sollten nun die Paradigmenwechsel erfolgen – ein signifikantes Umdenken innerhalb der NATO ist notwendig.

Die Autoren danken Generalleutnant a.D. Peter Bohrer für seine Mitarbeit an der vorliegenden Studie. Nick Reiff, Georg Reichel, Marius Hohl, Lukas Lehmann und Natalie Sophie Jehle waren ebenfalls an der Erstellung beteiligt.

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Dr. Germar Schröder

Dr. Germar Schröder

Partner, Strategy& Deutschland

Dr. Nils Förster

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