Der Weltuntergang scheint auf unbestimmte Zeit verschoben. Inflation und die Gaspreise sinken. China hat die Pandemierestriktionen aufgehoben und seine Häfen geöffnet. Zugleich haben viele Unternehmen ihre Lieferketten neu justiert und diversifiziert. Die Polykrisen gehören inzwischen zum New Normal. Wird es nun Zeit, den Krisenmodus zu verlassen und sich endlich wieder auf das Tagesgeschäft zu konzentrieren?
Der Wunsch, Krisen rasch hinter sich zu lassen und nach vorne zu blicken, gehört zum festen Manager-Mindset. Sie haben einen Anfang, einen Höhepunkt, und ein Ende. Aber was, wenn der Ausnahmezustand zur Regel wird? Auf den ersten Blick sind viele Branchen weiterhin auf Erfolgskurs. In Deutschland stellen zahlreiche DAX-Konzerne Dividendenrekorde auf und die Orderbücher sind noch bis April gefüllt. Doch zur Jahresmitte könnte sich die Lage eintrüben, denn die Inflation befeuert eine Lohn-Preis-Spirale. Der Bedarf nach Restrukturierung dürfte bald steigen. Das lässt auch die aktuelle PwC CEO-Survey1 vermuten: 73% der befragten CEOs gehen davon aus, dass das weltweite Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr zurückgehen wird. So pessimistisch waren die CEOs zuletzt vor 12 Jahren. Und auch die deutsche Bevölkerung blickt nach einer Allensbach-Umfrage insgesamt so pessimistisch in die Zukunft wie seit den 1950er Jahren nicht mehr2.
Nach einer aktuellen Untersuchung von PwC3 sind 50% der deutschen Maschinenbauer derzeit in einer finanziell angespannten Lage:
Aber ist der klassische Restrukturierungswerkzeugkasten, der zumeist auf Kostensenkung basiert, in Zeiten der disruptiven Transformation noch die richtige Wahl? Die heutige Managergeneration hat den Großteil ihrer Karriere in einer goldenen Dekade von Wachstum und Negativzinsen verbracht und nur zeitlich bzw. regional begrenzte Krisen erlebt. Die Lage in ihren Kernmärkten stand sehr lange unter sehr günstigen Vorzeichen. Doch die aktuellen Poly- oder Multikrisen verlangen von den CEOs die Entwicklung von neuen Krisenbewältigungsstrategien ̶ und einen neuen Blick auf die Transformation.
Die Transformation, mit der heutige Unternehmen auf die Disruptionen ihres Geschäftsmodells reagieren, kann nur erfolgreich sein, wenn sie nicht als Prozess, sondern als Mindset begriffen wird. Transformation als Mindset bedeutet eine ständige Bereitschaft zu Innovationen, zu Agilität und zum Hinterfragen des eigenen Tuns und Wirtschaftens. Wer diese Haltung nicht verinnerlicht, hat schnell das Nachsehen.
Damit das nicht passiert, haben wir vier Treiber identifiziert, die wir als Grundlage einer Transformation als Mindset sehen.
Unternehmenslenker sollten also der Versuchung widerstehen – ob vom Zeitgeist oder der Not getrieben – die Krise allein an einen Chief Transformation Officer zu delegieren, sondern dem Wandel mit Mut, Gestaltungsfreude und einem starken, aber kompakten Entscheiderteam begegnen. Die Bewältigung einer Krise gehört zur Königsdisziplin und Kernaufgabe des CEOs. Unternehmensstrategische Herausforderungen an eine (neu geschaffene) Vorstandsposition zu delegieren, heißt zudem nicht zwangsläufig, dass das Problem gelöst wird. Ebenso bedeutet das Ausrufen ambitionierter Ziele noch nicht, dass diese auch erreicht werden.
Von Churchill ist das Zitat überliefert, keine Krise zu verschwenden. Darin steckt viel Wahrheit. Denn Krisen sind Ausnahmesituationen, in denen das Gewohnte vorübergehend seine Gültigkeit verliert. Und Krisen sind ein Zeitfenster, in denen man Dinge neu denken kann und muss. Wer sich in dieser Phase nicht vom Schock der Krisen übermannen lässt, sondern sich die Lust am Gestalten bewahrt, wird gestärkt aus ihr hervorgehen. Noch besser ist jedoch, schon vor der Krise die Prozesse und Ziele der eigenen Organisation stetig zu hinterfragen und kontinuierlich zu transformieren.