Zu Beginn der diesjährigen Urlaubssaison erwarten viele Fluggesellschaften angesichts der weltweiten Lockerungen der Corona-Restriktionen wieder ein deutlich höheres Passagieraufkommen als in den vergangenen zwei Jahren. Gleichzeitig wird Nachhaltigkeit ein immer zentraleres Thema für Fluggesellschaften und Reisende. Der Einsatz von nachhaltigen Flugkraftstoffen (Sustainable Aviation Fuels, SAF) ist dabei neben Effizienzsteigerungen und technischen Innovationen wie elektrisch oder wasserstoffbetriebenen Flugzeugen eine Möglichkeit, die Klimabilanz von Flugreisen zu verbessern. Für Fluggesellschaften würde die Beimischung von SAF um bis zu 16% höhere Treibstoffkosten pro Tonne im Vergleich zu rein fossilem Kerosin bedeuten, welches sich durch die CO2-Besteuerung ebenfalls verteuert. Wird der Kostenaufschlag vollständig an die Passagiere weitergegeben, würde sich der Ticketpreis für einen typischen Langstreckenflug, etwa von Zürich nach New York, für den reinen SAF-Zuschlag um etwa 36 Schweizer Franken erhöhen. Das zeigt die aktuelle Studie «The real cost of green aviation» von PwC Deutschland und Strategy&, der globalen Strategieberatung von PwC. Darin wird in zwei Szenarien der zu erwartende resultierende Kostenaufschlag einer unterschiedlich hohen SAF-Beimischung von 2025 bis 2050 berechnet. Die Szenarien werden einem Basisszenario ohne SAF-Hochlauf gegenübergestellt (rein fossiles Kerosin inkl. CO2-Besteuerung). Das erste Szenario orientiert sich dabei an den rechtlichen Vorgaben des «ReFuelEU»-Richtlinienentwurfs der EU, das zweite Szenario an den ambitionierteren «Net Zero»-Vorgaben der Internationalen Energieagentur (IEA), die zur Erreichung des 1,5-Grad-Ziels ausgerufen wurden.
Die Kosten für eine höhere SAF-Beimischung schlagen sich unterschiedlich stark in den verschiedenen Streckenarten nieder. Die Profitabilität von Mittelstreckenflügen könnte um bis zu 40% abnehmen, wohingegen Kurzstreckenflüge für Airlines nur bis zu 14% Profitabilität einbüssen müssten. Die Langstrecke liegt mit einem möglichen Profitabilitätsrückgang von bis zu 29% im ambitionierten «Net Zero»-Szenario dazwischen. Auch im Vergleich unter Billigfluggesellschaften (Low-cost carrier, LCC) und den teureren Netzwerkfluggesellschaften (Full-service network carrier, FSNC) zeigen sich Unterschiede: Die Extrakosten pro Passagier für eine SAF-Beimischung sind bei LCC nur halb so hoch wie bei FSNC, da LCC typischerweise eine höhere Auslastung haben und die SAF-Mehrkosten somit auf mehr Passagiere pro Flug verteilen können. Zwischen 2025-2035 müssen typische europäische Premium-Airlines mit bis zu 8 Mrd. US-Dollar Kostenaufschlag durch den Einsatz von SAF rechnen, während europäische Billigflieger bis zu 610 Mio. US-Dollar mehr zu erwarten hätten.
«Wer zukünftig nachhaltiger fliegen möchte, wird mehr dafür bezahlen müssen. Doch die Kosten für den reinen SAF-Aufschlag bleiben für Fluggesellschaften und Passagiere nach unseren aktuellen Analysen in einem überschaubaren Rahmen. Für die Airlines gilt es jetzt, entschieden zu handeln und konsequent zum Kampf gegen den Klimawandel beizutragen. Eine Vorreiterrolle beim Einsatz von SAF kann ihnen dabei helfen, steigende Kerosinkosten frühzeitig abzufedern und gleichzeitig attraktiver für umweltbewusste Reisende zu werden. Flugzeughersteller sollten Triebwerke und Flugzeuge auf höhere SAF-Beimischungsquoten umstellen, gleichzeitig aber auch die Effizienz der Maschinen sowie die Entwicklung alternativer Antriebe weiter vorantreiben», sagt Dr. Jan Wille, Co-Autor der Studie und Aerospace and Defence Leader bei Strategy& Deutschland.
Derzeit sind bislang noch weniger als 1% der in Europa verwendeten Flugkraftstoffe SAF. Die Herstellungskapazitäten sind aufgrund der unsicheren Nachfrage begrenzt, die sowohl durch den Kostenaufschlag für SAF im Vergleich zu fossilem Kerosin als auch durch den hohen Kapitalaufwand für Erstinvestoren gebremst wird. Im «ReFuelEU»-Szenario wird mit einem SAF-Anteil von 2% im Jahr 2025 gerechnet, der bis 2030 auf 5% und bis 2035 auf 20% ansteigen wird. Im ambitionierteren «IEA Net Zero»-Szenario wird hingegen ein Anteil von 15% im Jahr 2030 und von 32% im Jahr 2035 angenommen. Beide Szenarien prognostizieren einen mehrheitlichen SAF-Anteil nach 2050 (63% bzw. 75%). Im Vergleich zu herkömmlichem Kerosin, das voraussichtlich durch steigende CO2-Preise zukünftig teurer wird, könnten SAF jedoch noch bis in die 2040er-Jahre mehr kosten als fossiles Kerosin.
«Um den wachsenden Bedarf an SAF decken zu können, müssen die dafür benötigten Produktionskapazitäten drastisch erhöht werden. Dabei sind auch die Hersteller von Kerosin gefragt. Indem sie ihr Portfolio um verschiedene SAF-Arten erweitern, steigern sie nicht nur die Nachhaltigkeit, sondern auch die Resilienz ihres Geschäftsmodells. Dazu ist sowohl der Umbau bestehender Produktionsanlagen als auch der Aufbau neuer Produktionsstätten notwendig – finanziert durch initiale Förderung, langfristige Abnahmeverträge sowie strategische Partnerschaften mit anderen Marktteilnehmern, um die Kostenlasten zu teilen», ergänzt Simon Treis, Partner bei Strategy& Schweiz.